Darf ich vorstellen!

Bickendorfforschungen – mein neuestes Projekt

In den nächsten Monaten werde ich das Narrativ des Viertels erforschen, in dem ich selbst wohne: Köln Bickendorf

Wofür steht Bickendorf?

Gibt es ein Narrativ des Viertels?

Befragungen (alles anonym, versteht sich) haben begonnen. Die Ergebnisse werden in einen Text fließen, der als Open Source zu Verfügung stehen wird. Eigene Gedanken zum Mikrokosmos Bickendorf werden den Text ergänzen.

Ich freue mich sehr auf die Dinge, die nun kommen werden und bedanke mich bei der Kulturförderung des Landes NRW ohne die das Projekt so nicht möglich wäre.

Bickendorf sollte auch wieder einen Dorfteich bekommen!

02.11.2022 – Einwurf der Bürgereingabe in Sachen Dorfteich erfolgte gegen 13.00 Uhr am

Bickendorfer Briefkasten (Alte Post)

Mikrokosmos Bickendorf

Text 1 – Wohin mit einem Dorfteich?

Ein zukünftiger Dorfteich in Bickendorf wäre eine wunderbare Angelegenheit. Schon der Name des Viertels leitet sich wahrscheinlich von „Bec“ – „Becke“ – „Beck“ ab, sämtlich alte Bezeichungen für Bach. Ein solcher ist vor langer Zeit durch den kleinen Ort geflossen. Mit seinem Wasser speiste er wahrscheinlich zwei Tümpel. Einer davon lag wohl dort, wo heute der Brunnen „Treuer Husar“ (Bickendorf I) steht. Der zweite, größere Teich lag gemäß alter Karten an der Subbelrather Straße, hinter dem Lindweiler Hof (heutiges Schulgelände). Dort läßt das Gelände einen Teich nebst Gutshof nur heute schwer erahnen, aber die benachbarte Teichstraße erinnert noch an das immerhin erst kurz nach 1900 zugeschüttete Dorfgewässer. Und genau dort, am tiefsten Punkt des Bickendorfer Kanalsystems, ist bei Starkregen ein Art Naturschauspiel wider Willen des Menschen zu beobachten. Wenn die Regenflut das Fassungsvermögen der Überlaufbecken an der Inneren Kanalstraße übersteigt, quillt das Nass aus den Gullis und Kanälen hervor und flutet die Teichstraße und Teile der Subbelrather Straße gleich mit. Regelmäßige Schlagzeilen sind den dann kurzzeitig auf Boote angewiesenen Anwohnern gewiss. Bereits wenige Stunden nach der Flut beginnt das große Aufräumen, denn der „Teich“ verschwindet fast so rasch wie gekommen ist. Es ist eine Art spontaner Kurzzeitweiher, zusammengesetzt aus Regen- und Schmutzwasser.

Seit dem letzten Hochwasser 2021 haben viele Menschen damit begonnen ihre Immobilien durch regelrechte Stauwehre zu schützen. Neben diesen privaten Initiativen sind auch städtische Überlegungen zur Verbesserung der Situation angedacht. Der aktuelle Stand der Planungslage wird jedoch nicht besonders aktiv in die Bürgerschaft kommuniziert und so kann sich jeder seine Gedanken machen. Immerhin hat es 2021 nach dem Starkregen im Viertel sehr zügig eine Informationsveranstaltung der städischen Abwasserbetriebe gegeben. Man konnte erfahren, dass Bickendorf in einem alten Rheinarm liegt. Während heftiger Regenfälle wirkt sich diese Muldensituation ungünstig auf das Fassungsvermögen der Kanäle aus. An der Subbelrather Straße schaffen Hochleistungspumpen das Bickendorfer Kanalwasser hinauf in die bereits erwähnten Überlaufbecken an der Inneren Kanalstraße. Zu Normalzeiten leistet dieses hochtechnisierte Entwässerungssystem gute Dienste.

Leipzig

Vor Jahren hatte ich auf einem Symposium zum Thema Kanalbau ein Gespräch mit einer Dame aus der Leipziger Stadtverwaltung. Wir sprachen über Kanalsysteme mit eigenst zum Spülen vorgehaltenen Wasservorräten. Kostbares Regenwasser wäre in diesem Modell gar nicht mehr obligatorisch notwendig und könnte anders nutzbar gemacht werden. Leipzig, so die Dame, hätte in dieser Richtung bereits Fortschritte gemacht. Nun, etwa ein Jahr nach der großen Regenflut, erinnerte ich mich an jene Unterhaltung und begann die Website der Stadt Leipzig neugierig zu durchstöbern. Nach wenigen Klicks laß ich zum Thema Starkregen folgenden Satz:

Sinnvoller ist es, das Oberflächenwasser großer Regenereignisse gezielt auf unkritische Freiflächen zu lenken und deren zeitweise Überflutung in Kauf zu nehmen. Zudem gilt es, sich durch gezielte Objektschutzmaßnahmen vor Starkregenereignissen zu schützen.“ (Website Stadt Leipzig 13.07.2022)

So verünftig klang dieses Konzept, dass mir sofort wieder ein Dorfteich als neue Flutfläche in den Sinn kam. Freudig griff ich am 13.07.2022 gegen 14.00 Uhr zum Telefonhörer, um in Erfahrung zu bringen, ob Leipzig tatsächlich über ein vom Regenwasser abgekoppeltes Spülsystem für Kanäle in Verbindung mit zu flutenden Freiflächen, vielleicht gar über Teiche in seinen Stadtvierteln verfügte. Während ich in die Leitung horchte fiel mir noch ein, dass in Leipzig dem „neuen Berlin“ selbstverständlich alles innovativ sein müsse. Das erste Gespräch blieb ohne Ergebnis, jedoch stellte man mich direkt an die zuständige Stelle durch und so hoffte ich binnen weniger Minuten über die Kanalneuheiten der Stadt und selbstverständlich ebenso über Teiche informiert zu werden. Es wurde abgehoben. Mein Anliegen war rasch erklärt, Pause in der Leitung. Dann eröffnete mir die Dame, dass Leipzigs Rinnen und Röhren natürlich mit Regenwasser gespült würden, es aber an großflächig versiegelten Stellen, etwa auf dem Messegelände, Zisternen zum Auffangen großer Wassermassen gäbe. Doch auch diese Kontingente landeten irgendwann im herkömmlichen Kanal. „Zum extra Blümchen- und Bäumchengießen“, Originalzitat, wäre weder Geld noch Zeit vorhanden, auch gäbe es definitiv kein vom Regen abgekoppeltes Spülsystem. Auf Teiche habe ich die ob meines Anliegens etwas amüsiert klingende Dame an diesem Nachmittag nicht mehr angesprochen.

Traum

Der Dorfteich bleibt zunächst eine Vision. Dabei sind Dorfteiche nicht nur Fantasiegebilde. In manchen Dörfern existieren Dorftteiche durchaus. Zumeist sind es übrig gebliebene Relikte einer vergangenen Zeit. Etwas Romantisches hängt ihnen an. Auf ihnen schwimmen weiße Enten, Frösche quaken und der seltene Rohrkolbensänger zwitschert im Wind wiegenden Schilf. Doch rasch fliegt er davon, wenn die Dorfjugend zum Baden lärmend und johlend heranrückt. Abends herrscht wieder Stille. Der Blutweiderich steht kräftig in Blüte. Libellen surren herum.

Bickendorf

Bickendorf ist kein richtiges Dorf mehr. Die Gutshöfe sind längst abgebrochen. Selbstverständlich sind der kommerzielle Ackerbau wie auch die Viehzucht verschwunden. Auch war der Dorfteich zu Beginn des 20. Jahrhunderts offenbar längst kein idyllisches Gewässer mehr. Gemäß eines Zeitungsartikels von 1902 war jener auch „Kradepohl“ genannte Weiher eher eine Kloake in der neben Mistjauche auch tote Hunde und Katzen herumschwammen. Sogar menschliche Fäkalien fanden ihren Weg in den Weiher. Bickendorf war noch nicht vollständig an das Kanalnetz angeschlossen. 1901 brach in der Feltenstraße Typhus aus! Die Dorfjugend badete trotzdem im „Seuchen-Weiher“. Alles sehr unvorstellbare Zustände. Natürlich wurde der Weiher zugeschüttet. Natürlich sind Hunde und Katzen heute keine Gebrauchsgegenstände bäuerlichen Wirtschaftens. Es sind liebevoll umhegte Mitgeschöpfe. Die Bickendorfer Katze streift 2022 jagend durch die vielen Hausgärten. Der zeitgenössische Bickendorfer Hund wird in den Parks ausgeführt. Niemand käme auf die Idee seine toten Lieblinge in Dorfteichen zu entsorgen. Im Kölner Umland gibt es Tierfriedhöfe.

Ein Dorfteich 2022 wäre ein Gewässer mit Freizeitcharakter, dass gleichzeitig wichtige Funktionen als Flutfläche übernehmen könnte. Freilich müsste geklärt werden, wo ein solcher Weiher im Viertel überhaupt anzulegen wäre. Eine exakte Rekontruktion des Teiches am ehemaligen Standort ist wegen der dort heute bestehenen Wohnbebauung kaum möglich. Darüber hinaus fehlt der ehemalige Bachlauf als wasserliefernde Quelle. Dieser Umstand verweist einmal mehr auf den gegenwärtigen Wassermangel. In den sich häufenden Trockenperioden fehlt der Regen in vielfacher Weise. Konnte um 1900 ein Weiher noch vermeintlich bedenkenlos zugeschüttet werden, fehlen heute überall Wasserflächen zur Kühlung des Stadtklimas und als Sammelbecken für das kostbare Nass. Die Situation hat sich völlig verändert. Mittlerweile gehört Deutschland zu den Ländern mit dem höchsten Verlust an Grundwasserbeständen weltweit (Bericht Tagesschau, 15.03.2022). Ob vor diesem Hintergrund überhaupt noch mit ausreichenden Regenmengen zur Spülung der Kanäle zu rechnen ist, sei dahingestellt. Vielleicht müssen wesentliche Aspekte unserer Wasserver- und Entsorgung neu gedacht werden.

Ganz grundsätzlich hat sich das Bodenniveau des ehemaligen Teichgeländes an der Subbelrather sehr verändert. Nach Abriss des Lindweiler Hofes in den 1960er Jahren wurde das Areal zur Errichtung der heute dort (noch) stehenden Schulbauten mittels Aufschüttungen wahrscheinlich stark erhöht. So dürfte auch die heutige Böschung an der Subbelrather Straße gegenüber Einmündung Teichstraße entstanden sein. Die dortige beckenartige Geländestruktur stellt im Falle von Starkregen eine äußerst ungünstige Situation dar. Die radikalste Lösung dieses Problems läge freilich im Abriss der bereits besprochenen Schulgebäude und einer zusätzlich erfolgende Abtragung der künstlichen Aufschüttung nebst Böschung. Das verbleibende Herrenhaus des ehemaligen Lindweiler Hofes stünde dann etwas erhöht am Rand einer dort auszuhebenden Flutausgleichsfläche. Ob diese den Charakter eines ständig wasserführenden Teiches annähme, wäre zu überlegen. Vielleicht entstünde eine Art Senke mit Bäumen und Wiesen. Als Bauland für neue Schulgebäude wäre das Gelände freilich verloren. Es sei denn, man plante die neue Schule als Architektur aus Stelzen an den Ufern des neuen Gewässers. Die vorzeitlichen Pfahlbauten vom Bodensee lassen grüßen!

Kermorvan

Während ich dies alles schreibe, sitze ich nicht in Bickendorf, sondern auf der leicht erhöhten Holzterrasse eines Tiny Houses in Kermorvan, einem Weiler im äußersten Zipfel der Bretagne. Wir sind hier zu vier Personen und werden sieben Tage lang eine kompostierbare Trockentoilette benutzen. Nach jedem Toilettengang muss saugfähiges Sägemehl in den Eimer gestreut werden. Dies ist eine wassersparende, ökologisch sehr sinnvolle, jedoch etwas gewöhnungsbedürftige Maßnahme. Am frühen Morgen entleere ich nun erstmals jenen Eimer bedenklichen Inhalts im dafür vorgesehenen Kompostkasten. Etwa 50 Meter trage ich den doch erstaunlich schweren Eimer über die Wiese. Dort steht in Sichtweite zur Terrasse besagter Kompostkasten. Natürlich erwarte ich in seinem Inneren einen schauerlichen Anblick. Als ich die Klappe öffen, blicke ich lediglich auf eine Lage unberührtes Heu. Sind wir die ersten Nutzer der Anlage? Ich versenke meinen schon nach einem Tag prall gefüllten komposttierfähigen Plastikbeutel, 20 Liter Fassungsvermögen. Vielleicht hatte der Beutel ein kleines Loch, jedenfalls ist der Eimer nicht ganz trocken. Meine olphaktorische Prüfung registriert leicht beißenden Geruch. So spüle ich den Eimer vor Einzug des frischen Beutels sorgfältig mit einigen Litern Wasser aus, trockne alles gut mit Küchenkrepp ab. Ganz ohne Wasserverbrauch geht es also nicht. Das Küchenkrepp landet in der gelben Tonne, neben dem Kompost. Doch fast ist dies ein autarkes System und unsere touristischen Hinterlassenschaften werden das herkömmliche Kanalsystem des Ortes nicht belasten. Alle unsere Brauchwässer werden in der kleinen Kläranlage hinter dem Tiny House aufbereitet. Was soll ich sagen? Dass letzte der drei Klärbecken ist ein kreisrunder kleiner Teich! Ist dies eine Neuinterpretation vergangener Dorfteiche und Seuchenweiher?

Es ist hier sehr trocken, schon um 11.30 Uhr brütet eine unerträgliche Hitze über dem Land. Der gleich am Tiny House benachbarte Reitplatz wässert den staubtrockenen Sand. Der Kompostkasten steht im Schatten einer Eiche, die trotz der Gluthitze neue grüne Triebe schiebt. Ringsum wuchert üppiger Adlerfarn ohne jede Anzeichen von Trockenheit. Hier und da schießen seine Triebe aus dem trockenen Boden hervor. Inmitten des offenbar sehr wasserhaltenden Farnschungels stehen kleine Eichen und allerhand Gesträuch. Zusammen bildet dies alles ein dichtes grünes Geflecht, dass der sengenden Sonne offenbar erheblichen Widerstand leisten kann.

Der ausbleibende Regen, die wasserlose Toilette und das ebenfalls ohne Kanal auskommende Wasseraufbereitungssystem stehen in einem weiten Zusammenhang. Noch sind dies alles vereinzelte Anstrengungen, die jedoch allesamt in die gleiche ressourcensparende Richtung führen. Da wäre ich schließlich wieder beim Bickendorfer Weiher neuer Prägung, einer zweitweise gefluteten Senke, deren Ufer vielleicht von Adlerfarnen und Weidenbäumen gesäumt wird. Sieht so die zukünftige Vegetation unserer Stadt aus? Teiche und Bäume im Farn?

Köln

Die riesige Website der Stadt Köln spuckt Informationen zum Thema Starkregen sehr undifferenziert aus. Bei meinem Versuch im Netz eine Informationsbroschüre herunterzuladen scheitere ich zunächst. Trotzdem, googelt man auf der städtischen Seite zum Thema „Starkregen“, findet man zahlreiche in diese Richtung wirkende Aktivitäten und Informationsveranstaltungen. Die Stadt ist seit vielen Jahren tätig und fördert beispielsweise den Rückbau versiegelter Vorgärten.

Jede unversiegelte Fläche entlastet im Starkregenfall das Kanalsystem und verknüpft Niederschläge mit dem Grundwasserspiegel im Boden. Auch dies ist wichtig, denn ausbleibende Niederschläge haben den Grundwasserspiegel sinken lassen. Mittlerweile haben sogar große Stadtbäume partiell Probleme an ausreichend Wasser zu kommen. Der aufmerksame Blick in unsere Parks zeigt die Ergebnisse. Auf Bickendorf bezogen, sind die zu Parkplätzen umfunktionierten voll- oder teilversiegelten Vorgärten gefühlt in der Mehrheit. Trotzdem dürfte Bickendorf auf Grund seiner vielen Gärten und öffentlichen Grünflächen im Vergleich zu anderen Stadtvierteln ein verhältnismäßig gering versiegeltes Gebiet darstellen.

Während ich diese Zusammenhänge überdenke, stöbere ich weiter auf der Kölner Website herum und greife schließlich zum Telefonhörer. Amt für Stadtentwicklung, ein Versuch. Die sehr freundliche Dame weiß den Weg zum von mir gesuchten Downlowd nicht, notiert aber meine Mailadresse, mit dem Versprechen, zum gewünschten Sachverhalt zu recherchieren. Ich bin skeptisch. Ein weiteres Telefonat hinein ins Bauamt ergibt sofort den Hinweis zu den städtischen Entwässerungbetrieben, kurz STEB. Auf deren Website dauert es nur zwei Klicks bis zum Download des sehr umfänglichen Informationspaketes. Etwa eine halbe Stunde später erhalte ich tatsächlich eine Mail. Die Dame recherchierte, und auch ihr Weg führte letzlich zur STEB.

In der Zwischenzeit telefoniere ich noch mit der städtischen Stelle für Baumschutz um Informationen darüber einzuholen, auf welche Weise man Bäume zu Naturdenkmalen im Viertel deklarieren kann. Große Bäume sind im Grunde kleine Wasserwerke, oder sagen wir, es sind wasserhaltende Institutionen. Mir wird geraten, den betreffenden Baum zu fotografieren und mein Anliegen dem Amt zu senden. Es würde aber länger dauern, lautet der freundliche Hinweis.

Grün in der Stadt verbessert das Klima in Köln. Bäume, Pflanzen und Grünflächen kühlen die sie umgebende Luft ab und reduzieren dadurch Hitzebelastungen in den Sommermonaten. Zudem reinigen Pflanzen die Luft von Schadstoffen und binden Kohlendioxid. Durch die Entsiegelung und Begrünung von Flächen wird zudem die Versickerung von Regenwasser gefördert. Dadurch wird der oberflächliche Abfluss von Regenwasser und damit die Überflutungsgefahr bei Starkregen reduziert.“ (Website der STEB KÖLN 13.07.22)

Meine Recherchen ergeben weiterhin, dass auch eine Fassadenbegrünung Teil der Maßnahmen sein kann. Wie sähe eine komplett grüne Straße aus? Efeu oder Glyzinien an meiner Hausfassade? Einmal in die Thematik eingetaucht, besteht durchaus Gefahr zur Verzettelung. Also beschließe ich, lieber wieder über mögliche Standorte für den Dorfteich nachzudenken. Köln besitz hier durchaus artverwandte Beispiele, etwa die großen Weiher in den zahlreichen Grünlagen. Um 1900 und etwas später entstanden sehr vorbildliche Ensembles. An „Hitzebelastungen in den Sommermonaten“ dürften die damaligen Planer jedoch wohl kaum gedacht haben. Eine moderne Version dieser dekorativen Parkgewässer stellt die große Wasserfläche am Mediapark da. Sie wird teilweise zu Freizeitzwecken genutzt, besitzt andererseits auch naturnah gestaltete Bereiche. In unmittelbarer Nachbarschaft zu sehr verkehrsreichen Straße lassen sich brütende Schwäne, Reiher und Kormorane auf einer mit Erlen bewachsenen Miniinsel beobachten. Hinter dieser Szene erhebt sich fast 150 Meter hoch und sehr kontrastreich der „Kölnturm“.

Was neuere Bauprojekte in Köln betrifft, blieb das Ensemble am Mediapark bisher ein Einzelbeispiel. Ob Rheinauhafen, Clouthgelände oder Butzweiler Hof, man findet dort keine Wasserflächen. Das riesige Neubaugebiet in Köln – Widdersdorf ist völlig ohne Wasserfläche konzipiert. Dass hier trotzdem sehr lebhaft Frösche quacken ist der benachbarten Golfanlage geschuldet. Auf den Bickendorfer Fokus heruntergeschraubt, läßt sich auch hier beim aktuellst fertiggestellten Bauprojekt der GAG im Zentrum Bickendorfs keine Wasserfläche finden. Der neu entstandene Hof ist eine weitgehend vegetationslose Fläche.

Grün in der Stadt verbessert das Klima in Köln. Bäume, Pflanzen und Grünflächen kühlen die sie umgebende Luft ab und reduzieren dadurch Hitzebelastungen in den Sommermonaten.“ (Website der STEB KÖLN 13.07.22)

Dorf- oder Stadtteilteiche sind in Köln noch weitgehend unbekannte Größen. Doch sind zumindest auf dem Papier erste Schritte in eine ähnliche Richtung unternommen! Man spricht von „multifunktionalen Retentionsflächen“ und in diesem Zusammenhang von zwei Pilotprojekten „am Schützenplatz im Kölner Stadtteil Eil sowie am Platz an der Leidenhausener Straße. (Website der STEB KÖLN 13.07.22)“.

Der technisch klingende Begriff bedarf einer Erklärung: „Multifunktionale Retentionsflächen sind öffentliche Freiflächen wie z. B. Plätze, Parkflächen, Grünanlagen oder Straßen, die bei Starkregen temporär und gezielt als Speicherraum für Regenwasser genutzt werden. Dadurch wird das Überflutungsrisiko bei Starkregenereignissen minimiert und zugleich die Aufenthaltsqualität im öffentlichen Raum verbessert. (Website der STEB KÖLN 13.07.22)“.

Fazit

Nach etwa zwei Stunden Recherche hat mein Dorfteich erst einmal Pause. Stattdessen stelle ich mir die Frage, wo in Bickendorf eine „multifunktionale Retentionsfläche“ geschaffen werden könnte. Auch überrasche ich mich selbst dabei, dass meine weiter oben gemachten Ausführungen exakt auf eine „multifunktionale Retentionsfläche“ zutreffen. Ich möchte jedoch lieber von einem zeitweise wasserführenden, teichähnlichen Landschaftselement sprechen. Mit einem solchen Gebilde besäße Bickendorf zwar noch keinen Teich wohl aber eine neue, strukturreiche Vegetationszone, die sich ihrer Bepflanzung nach erheblich von den bisherigen Parks unterschiede. Dem Charakter einer Feuchtfläche folgend, könnten dort Weiden, Schilf, Farne und Binsenrasen wachsen. Wer sich dies einmal live und in Farbe anschauen möchte, dem sei ein Spaziergang rund um Glessen empfohlen. Auch in der Nähe von Stommeln und Pulheim befinden sich aktuell schon Retentionsflächen zur Aufnahme von Flutwässern. Wichtig ist die Anmerkung, das diese Gebiete sowohl den Charakter artentreich bepflanzter Biotope, wie auch den von nüchternen Staubecken annehmen können. Zudem ist die „Retentionsfläche“ keine neue Erfindung. Lediglich im Zusammenhang wachsender Starkregengefahr könnte ihre Etablierung im inneren städtischen Raum als Novum bezeichnet werden.

Je nach Struktur eines Viertels wären unterschiedliche Ansätze zum Bau von Retentionsflächen möglich. Für Bickendorf gesprochen, ergäben sich nicht nur am Lindweiler Hof neue Möglichkeiten. Ebenso in den bestehenden Parks könnten Flutzonen oder dauerhafte Gewässer angelegt werden. Auch manche der Siedlungen verfügen über großzügige Rasenflächen von denen die ein oder andere sich als Flutzone vielleicht eignet.

Grundsätzlich wäre es sehr wünschenwert, wenn die BewohnerInnen vor Ort frühzeitig in derlei Planungen einbezogen würden. Vielfach sind es nämlich die Menschen vor Ort, denen Dringlichkeiten und Besonderheiten in der Topografie ihrer Viertel am ehesten bekannt sind. Günstig wäre es, dieses oftmals hochdifferenzierte lokale Basiswissen mit dem Fachwissen aus Stadt- Landschafts- und Verkehrsplanung zu koppeln. All dies sollte wiederum mit stadtkulturellen und stadtästhetischen Gesichtspunkten verknüpft werden. Denkmalschutz und gewachsene Historie vor Ort hätten ebenso Gewicht. All dies zusammen wäre im wahrsten Sinne des Wortes Stadtbaukunst.

Simulation des Bickendorfer Weihers am historischen Ort, Wasserstand simuliert nach Starkregen

(Bild und Simulation Tom Aust)

Text 5

Mikrokosmos Bickendorf

Vor dem Bäcker

Seitdem ich in pandemischen Zeiten lebe, hat sich beim morgendlichen Kauf von Brot und Brötchen etwas geändert. Es ist seit gut zwei Jahren nicht mehr möglich, das Ladenlokal der Bäckerei einfach zu betreten. Stattdessen wartet die Kundschaft in einer zuweilen langen Schlange vor dem Geschäft. Es sieht aus, als gäbe es kein Brot mehr. Die Atmosphäre ist leicht angespannt. Man könnte miteinander reden. Doch stehen die Kunden eher genervt herum, wartend.

Irgendwann, als ich wieder vor der Türe des Bäckers stand, fiel mir der Baum auf. Er steht vor dem Haus Am Rosengarten 79a. Es ist eine Eberesche. Die letzten Dürrejahre zeigen Konsequenzen. Vertrocknet ist die Kronenspitze. Doch unterhalb der verdorrten Zweige grünt der kleine Baum. Er hat offenbar beschlossen den Kampf nicht aufzugeben.

Morgens steht er noch im Schatten der Hauswände. Aber die Sonne grüßt schon über die freundlichen roten Dächer der Siedlung hinein in die Straße. Vielleicht wird es heute heiß. Neben dem Bäumchen blühen im Juni die Rosen. Die Siedlung Bickendorf II ist sehr gepflegt. Allerdings verweigert sich diese Eberesche dem makellosen Bild auf ihre ganz eigene Weise. Sie reckt ihr totes Gezweig in den Himmel. Klimawende und Hauswände. Man hat die komplette Siedlung in den letzten Jahren mit Dämmstoffen versehen. Die Straße ist gut angefüllt mit PKW. Energie und Dürreperioden und Starkregen. Brot möchte ich kaufen. Wo wächst der Weizen, der Roggen, der Buchweizen und der mittlerweile allgegenwärtige Dinkel aus dem sie die Brote backen? Dinkel soll sehr gesund sein. Im heißen Sudan gibt es ein Hirtenvolk mit Namen Dinka. Von meiner Großmutter erbte ich vor Jahren ein Lexikon aus dem Jahre 1966. Dort stehen auf Seite 523 tatsächlich die Dinka direkt vor Dinkel! Was ist dort zu lesen? Es sind Viehzüchter „mit totemistischen Clans u. Regenmachern als Häuptlingen.“ Ich habe keine Fragen mehr. Noch scheußlicher kommt mir nun die kleine halb vertrocknete Eberesche vor. Vom Dinkel sagt das Lexikon, es sei eine sehr alte Getreidesorte, in Süddeutschland noch im Anbau, doch im Ertrag „unseren heutigen Weizenzuchtsorten unterlegen.“ Unterlegen und verloren hatte der Dinkel also, 1966. Auch kann ich nicht glauben, dass jene Dinka noch heute Regenmacher zu Häuptlingen wählen. Im Sudan herrscht Dürre. Wenn der Westwind stark bläst, merkt man dies auf der Venloer Straße deutlich. Das Westcenter steht genau in dieser Windachse. Bis zum 3. Stock sind die Balkone schon zugeweht mit Sand. Vor dem Bäcker ist noch alles in Ordnung. Die Häuser von Bickendorf II fungieren als Windschutz.

Neben der kleinen Eberesche steht eine mächtige Platane. Sie ist grün. Ihre kräftigen Wurzeln heben den gut abdichtenden Teerbelag zu ihren Füßen merklich an. Mehrfach besserte man die schadhaften Stellen bereits aus. Der Baum ist kräftig. Der Kunde vor mir verlässt den Laden. Ich folge und darf nun Brot kaufen.

07.06.2022

Text 10

Mikrokosmos Bickendorf / 13.10.2022

Teichstraße

Es wird Anfang Oktober gewesen sein und es geschah wohl eher still. Der kleine Gebäudekomplex neben Hausnummer Teichstraße Nr. 40 steht nun nicht mehr. Abgerissen. Am 13.10.2022 nurmehr die gesäuberte Abbruchstelle zu sehen. Der Fußboden des Wohnhäuschens war noch vorhanden. Reste des aufgehenden Mauerwerks waren schwach zu erahnen. Am Bauzaun lagen tatsächlich feine Partikel des bläulichen Fassadenanstrichs herum. Alles war in die Jahre gekommen und nun, wo dieses Exemplar sogenannter Urbebauung verschwunden ist, fällt mir auf, dass ich den genauen Anblick der baulichen Situation nur vage im Gedächtnis abgespeichert habe. Da war das kleine Wohnhaus und daran angrenzend eine Art Schuppen oder Werkstatt. Beides bildete einen kleinen Hof. Zur Straße hingab es ein Tor, eine Mauer und eine Überdachung.

Vielleicht stand die Immobilie seit Langem leer. Nun erfolgte der übliche Abriß. Bald wird ein neues Haus auf dem kleinen Grundstück stehen. Immer wieder ist dabei zu beobachten, wie viel Wohnraum auf solch kleinen Parzellen errichtet werden kann. Die Tendenz zur Verdichtung der städtischen Areale ist überall zu bemerken. Angesichts des knappen Angebots an Wohnungen erscheinen die im Grunde so bescheidenen Häuschen der Urbebauung mit ihren dazu gehörigen Gärtchen, Schuppen und Höfchen fast schon luxuriös. Dabei umfasste die Grundfläche des Wohngebäudes sicher weniger als 40 Quadratmeter und sicherlich wohnte man hier einmal zu sechs oder mehr Personen. Eine enge Welt, kein warmes Wasser, keine Heizung, ein Holzofen, einfach verglaste Fenster, im Winter Eis an den Scheiben. Kurzum herrschten hier um 1900 mit heutigen Maßstäben verglichen sehr kümmerliche Verhältnisse. Als das Haus noch stand, machte alles einen etwas verwahrlosten Eindruck. Wohnten hier zuletzt alte Leute, denen Kraft, Energie und Geld zum erneuten Renovieren fehlte?

Während ich dies schreibe, fallen mir ähnliche Objekte in Bickendorf ein. Alle sind sie klein, manche wirken etwas provisorisch, manche sind liebevoll restauriert. Allesamt gehören sie zur Bickendorfer Urbebauung und in gewisser Weise könnte man sie zu frühen Verwandten der heutigen tiny houses erklären. Nur war früher eben vieles eher tiny, tiny war sehr normal.

In der Teichstraße steht jetzt nur noch ein einziges dieser kleinen Häuschen in weitgehendem Originalzustand. Hausnummer 28 besitzt die typischen anderthalb Geschosse. Der schmucke Giebel mit Ziergesims ist zur Straße ausgerichtet und sorgt somit im Gegensatz zu den ansonsten traufständigen Häusern für eine erfrischende Optik. Die Gitter vor den Fenstern sowie das Hoftor mit Bedachung sind neueren Datums und sehr solide. Den alten Zementputz gliedern Zierfugen, die Fensterleibungen besitzen kleine Gesimse. Hätte es einen frischen Anstrich, das Häuschen wäre ein kleines Schmuckstück, denn seine Fassade besitzt ein unverwechselbares Gesicht. Auffordernd spricht das bescheidene Gebäude die Passanten an: Schaut, klein bin ich aber schön! Meine Erbauer haben mich geschmückt!

Nicht nur in Bickendorf verschwinden diese Beispiele einer im städtischen Gefüge weitgehend untergegangenen privaten Baukultur. Wo das alte Häuschen stand, wird wahrscheinlich ein abstraktes Konsortium investieren und wir alle müssen dann mit einem weiteren ausdruckslosen Fassadenzombie leben. Die gesamte Teichstraße ist dafür ein gutes Bespiel. Mit der Zeit wurde hier alles größer, höher und klobiger. Gebaut wird was das Zeug hält, Block für Block und dann rein mit den Mietern! Das nahe Westcenter hat bisher die extremsten Maßstäbe in dieser Richtung gesetzt.

Natürlich spricht auch das Westcenter mit den Passanten. Allerdings in einer völlig anderen Sprache. Ob jenes Zwerglein in der Teichstraße 28 wohl in der Lage wäre ein Gespräch mit dem Westcenterriesen zu führen? Beim Nachdenken über diese Möglichkeit frage ich mich, ob dort, wo sich das Westcenter nun erhebt, vielleicht einmal ein solches Zwerglein gestanden hat und freilich wäre es möglich am nun frei gewordenen Stück in der Teichstraße ein ähnliches Riesenhaus zu errichten. Etwa einen schlanken, kleinen Wolkenkratzer, sozusagen einen Zwerg unter den Riesen. Es müssten keine 100 Meter sein. Als Höhe käme vielleicht ein kölnisch tradiertes Maß in Frage, etwa jene 61 gotischen Meter des Südquerhausesam Dom. Wären diese zu hoch, auch 40 Meter würden in Bickendorf imposant aussehen. Mir fallen Städte wie New York oder Chicago ein, in denen ältere Kubaturen schrittweise durch immer größere Strukturen ausgetauscht wurden. Von den asiatischen Beispielen oder jenen auf der arabischen Halbinsel muss nicht erst gesprochen werden. Zudem ist es nicht zwingend notwendig in solche Fernen zu schweifen. Frankfurt gibt in diesem Zusammenhang ein völlig passables Exempel ab und auch am Maasufer in Lüttich (um einmal ein Beispiel aus der Rhein – Maas Region anzuführen) finden sich prächtige Beweise für bauliches Wachstum.

Gebaut und abgerissen wurde zu allen Zeiten und das jetzt abgerissene Häuschen in der Teichstraße war keine ausgemachte Perle der Baukunst. Allerdings lieferten seine schlichten Ausmaße und Formen ein gutes Beispiel für die bescheidene und nach damaligen Maßstäben auch zweckmäßige Architektur der sogenannten „kleinen“ Leute. Mehr noch sind diese Häuschen Beispiele für die ehemals existierende Möglichkeit mit geringen Mittel und weitgehend lokalen Baustoffen (etwa Ziegelsteine aus Ehrenfeld) Eigenheime zu errichten und diese in Verbindung mit den erwähnten Nebengebäuden zu kleinen ökonomischen Einheiten zu verschmelzen. Sind dies nicht wunderbare Beispiele für das heute überall geforderte regionale Wirtschaften? Die frühere Praxis würde ganz wunderbar zur heutigen Theorie passen.

Mittlerweile ist die Baubranche weltweit wahrscheinlich für etwa 38% des CO2 Ausstoßes verantwortlich1 und manche Experten halten unter diesen Umständen den Abriss bestehender Gebäude für sehr fragwürdig, denn „ in jedem Gebäude, das abgerissen wird, steckt die Energie, die einst bei seinem Bau aufgewendet wurde, die so genannte „Graue Energie“. Hinzu kommen der Energieaufwand für den Abriss des Gebäudes, für den Abtransport und die Lagerung des Bauschutts, sowie der Energieaufwand für den Neubau, für die Produktion und die Anlieferung der Baustoffe, Baumaterialien und Bauteile und schließlich der Energieaufwand auf der Baustelle.“2

Auch energetisch kann in vielen Fällen davon ausgegangen werden, „dass die Energiebilanz eines abgerissenen Gebäudes und eines Neubaus, selbst wenn der Neubau 30 Prozent besser ist als die Energieeinsparverordnung (EnEV 2009) vorschreibt, im Vergleich zu einem auf EnEV-Niveau energetisch verbesserten und sanierten Altbau erst nach 30 Jahren ausgeglichen ist.“3 Zudem ist „ auch preislich (…) in vielen Fällen die energetische Sanierung eines Altbaus günstiger als Abriss und Neubau.“4

Hätte angesichts solch gewaltiger Kontexte das Haus in der Teichstraße vielleicht erhalten und energiegerecht saniert werden sollen? Welche Bewegründe führten zum Abriss des Häuschens und wie lange haben die verbleibenden Exemplare in Bickendorf noch Bestand? Gegenwärtig sind dies alles offene Fragen. Man wäre gut beraten, Umstände, die zum Abriss eines jeden Hauses führen genau zu prüfen und nach möglichen Alternativen zu suchen. Dies mag Zeit in Anspruch nehmen, würde sich langfristig jedoch auszahlen. Das Bickendorfer Ortsbild ist höchst verletzlich.

Freilich gibt es sehr unterschiedliche Geschmacksvorstellungen gegenüber den optischen Erscheinungen unserer Ortsbebauung. Persönlich leide ich in Bickendorf sicherlich unter 50% des Baubestandes, kann den teilweise herrschenden Monstrositäten andererseits aber etwas abgewinnen. Dann ist es nicht das schöne, wohl aber das schaurig-schöne Element, das mir Bewunderung abnötigt. Besser noch ist es eine Art unfassbarer Scheußlichkeit, die auf Grund ihrer schieren Existenz Beachtung verdient. Die ganze Umgebung rund um das abgerissene Häuschen ist ein solches Szenario. Hier liegt ein Kindergarten in bedenklicher Nachbarschaft zu einem Fastfoodtempel, dazwischen ein abenteuerlicher Durchgangsweg. Alte Mauern mit herrlichem Efeu treffen auf Graffiti, der Übungsturm der Feuerwehr grüßt in erschreckender Funktionalität herüber und über alldem wacht das Westcenter. Alles bildet ein optisch völlig inkohärentes Ensemble. Beharrlich üben all diese im Grunde unmöglichen Baukörper Tag für Tag ihre Wirkung auf das Gemüt der Menschen aus. Permanent sind wir alle diesen Unformen ausgesetzt.

In dieser Hinsicht ist die Teichstraße sehr sehenswert. Auch zur Subbelrather Straße hin gibt es eigenartige Zusammenstöße der Kubaturen. Sehr gut zu sehen an den Häusern 10 und 8. Hier treffen anderthalb auf gut fünf Geschosse. Das so entstandene Verspringen der Höhen kann unruhig oder belebt empfunden werden. Auf jeden Fall ist dies alles rau und vielleicht erfrischend chaotisch. Auch achtloser Baustoffterror wäre eine gültige Beschreibung.

Vielleicht ist dies die Lösung: Ein krasses Nebeneinander von Zwergen und Riesen! Wenn ich mir die Teichstraße genau betrachte, ist dort bereits alles weitgehend ins Kraut geschossen. Zu retten ist nicht mehr viel, dort ist Hausnummer 28 nun wirklich das letzte Statement für einen original erhaltenen Hauszwerg. Alleine schon aus diesem Grund wäre das Exemplar schützenswert. Auch dem Westcenter wäre ein solcher Status zu wünschen. Es ist nämlich gar kein richtiges Hochhaus. Laut offizieller Definition beginnt ein echtes, wirkliches Hochhaus, ein „Wolkenkratzer“, erst bei 150 Metern, davon ist das Westcenter weit entfernt. Folglich gehört es im Grunde zu den Zwergen.

1Quelle: Solarify, Agentur Zukunft, Büro für Nachhaltigkeitsfragen.

2Peter Conradi: Abriss und Neubau – Es geht auch anders. Wie ernst nehmen die Städte ihre baulichen Aufgaben bei der Energiewende?, 2014, in: www.blog-der-republik, 16.10.2022.

3Ebd.

4Ebd.